Hintergrund
Für einen Strukturwandel von unten!
Für die Lausitz bedeutet der Ausstieg aus der Braunkohleverstromung nach dem Strukturbruch in den 1990er Jahren – der nahezu kompletten Deindustrialisierung der Region und massiven Abwanderung – eigentlich neue Hoffnung: Umbau der Energiewirtschaft mit neuen attraktiven Arbeitsplätzen, eine bessere Anbindung der Grenzregion im Herzen Europas und möglicherweise sogar die Chance, Vorreiterin einer nachhaltigen und digitalen Entwicklung zu werden.
Dazu stehen in den nächsten 18 Jahren insgesamt knapp sieben Milliarden Euro an Strukturhilfen und direkten Bundesinvestitionen für den sächsischen Teil der Lausitz zur Verfügung. Über die Vergabe der Strukturhilfen von jährlich 130 Millionen Euro wird die Sächsische Agentur für Strukturentwicklung (SAS) entscheiden.
Den Strukturwandel gestalten bis jetzt vor allem politische Spitzen mit den Merkmalen: männlich, ältere Jahrgänge. Damit die Lausitz aber auch unter Einbeziehung ihrer Bürger*innen neue Pfade einschlägt, arbeitet seit 2018 die Zukunftswerkstatt Lausitz an der Erstellung einer Entwicklungsstrategie Lausitz 2050. Die „Beteiligungsformate“ erstreckten sich von Infoständen über Expertenrunden bis hin zu tatsächlichen Dialogveranstaltungen.
Dabei hat der Leitbildprozess und die Arbeit der Zukunftswerkstatt Lausitz einen hohen Anspruch. Aktuell läuft die letzte Etappe im Rahmen einer Schreibwerkstatt, Ende des Jahres soll die Entwicklungsstrategie stehen. Allerdings wird der Aufbau des Strukturwandel-Fördermittelprogramms bis dahin vorerst abgeschlossen sein. Der Fuhrpark soll also schon organisiert sein, noch bevor überhaupt der Weg beschrieben ist, den wir in der Lausitz gehen wollen. Zudem ließ die Staatsregierung jüngst verlauten, das erarbeitete Leitbild solle bei der Erstellung bzw. der Überarbeitung des Förderprogramms lediglich berücksichtigt werden. Das alles und die Kürze und die Weise des Beteiligungsprozesses lassen ihn zu einem Feigenblatt der Teilhabe der Lausitzer*innen am Strukturwandel verkommen.
Bis jetzt wird die strategische Entwicklung der Lausitz übrigens durch ein im Auftrag der Staatsregierung von der Prognos AG erstelltes Leitbild bestimmt, das für das Strukturstärkungsgesetz entwickelt wurde – verfasst vorrangig von Männern, punktuelle Beteiligung der Kommunen, ohne Bürger*innen.
Da der Strukturwandel also von oben eingeleitet wurde, muss er nun wenigstens konsequent von unten organisiert werden. Ansonsten verstärkt sich das Gefühl der Lausitzer*innen einmal mehr, dass über ihre Köpfe hinweg und ohne Berücksichtigung ihrer Interessen entschieden wird. Denn auch die gewählten Volksvertreter*innen der Stadt- und Gemeinderäte sowie der Kreis- und Landtage sind in diesen vielschichtigen Strukturwandelprozess nicht aktiv – und wenn dann nur auf Zuruf – eingebunden.
Wenn nun aber ausgerechnet die direkt gewählten Volksvertreter*innen vor Ort nicht strukturell in die Vorbereitung und Ausgestaltung des Strukturwandels einbezogen werden, dann mangelt es diesem Prozess von Anfang an an Transparenz und demokratischer Kultur. Aber gerade diese Werte braucht es, um der anhaltenden Frustration und der gefährlichen antidemokratischen Entwicklung in der Lausitz etwas entgegenzusetzen.
Um für mehr Transparenz im Strukturwandel zu sorgen und direkte Bürger*innenbeteiligung zu organisieren, fordert DIE LINKE in der Lausitz die Gründung eines Bürgerrats. Dieser wird in die Projektmittelvergabe der SAS direkt einbezogen, Entscheidungen und ihre Diskussionsprozesse werden öffentlich nachvollziehbar gemacht.
Des Weiteren schlagen wir ein Lausitzer Beteiligungsbüro vor, das interessierte Kommunen mit Rat und Tat dabei unterstützt, eigene, lokale Leitbilder in einem partizipativen Prozess zu entwickeln, die an die Entwicklungsstrategie Lausitz 2050 andocken können. Von Görlitz nach Cottbus, vom Seenland bis in den Spreewald gibt es nicht nur für Einheimische viel zu entdecken. Wir sind umgeben von Wäldern, Feldern und Seen, bereichert von sorbischer Kultur und polnischen Nachbarn. Hier auf dem Land lässt es sich gut leben, wenn wir eine attraktive Region mit entsprechender medizinischer Versorgung, bezahlbaren Kita-Plätzen und Freizeitmöglichkeiten vorhalten und unser Infrastruktur-, Tourismus- und Aus-/Bildungsangebot erweitern.
Aber gerade auf kommunaler Ebene fehlt das Personal zur Entwicklung neuer Projekte, allein schon, um überhaupt qualifizierte Anträge für die Strukturwandelmilliarden zu stellen. Unser Vorschlag dafür: Strukturwandelmanager*innen, die in Zusammenarbeit mit den Bürger*innen, Unternehmen und der Verwaltung Ideen vor Ort entwickeln und diese in einen Antrag bei der SAS verwandeln und die Umsetzung begleiten.
Bürgerrat, Beteiligungsbüro und Strukturwandelmanager können die Menschen vor Ort ganz direkt in den Veränderungsprozess einbeziehen und Konflikte lösungsorientiert moderieren und austragen. Wir brauchen mehr demokratische Diskussionskultur in der Lausitz – und einen Strukturwandel von unten.